Orgelwerk
und orgelwert

Orgelbau ist eine sehr individuelle, handwerkliche Kunst und einer der komplexesten und vielseitigsten Handwerksberufe überhaupt.

Orgelbau ist einer der wenigen Bereiche, in denen es immer noch so gut wie keine Serien geben kann: Jedes Instrument wird als Unikat, abgestimmt auf den Aufstellungsraum gefertigt. Die Lebensdauer einer Orgel ist nicht auf Jahre, sondern auf Jahrhunderte ausgerichtet, wie viele Beispiele aus der Geschichte belegen.

Gängige betriebswirtschaftliche Rechenmodelle greifen deshalb bei Orgeln zu kurz, denn Anschaffungskosten und Lieferzeiten, zweifellos wichtige Entscheidungskriterien, verlieren nach Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten an Bedeutung. Was dann zählt, ist allein die musikalische und technische Qualität des Instruments.

Auf den Internetseiten vieler Handwerksverbände finden Sie die Zusammensetzung der Stundenverrechnungssätze für die verschiedenen Gewerke. Der Netto-Preis für eine Handwerkerstunde im Orgelbau (regional schwankend) setzt sich (Stand: November 2021) in etwa wie folgt zusammen:

Multipliziert man den Stundenverrechnungssatz mit der Zahl der für ein Projekt nötigen Arbeitsstunden, erhält man die reinen Lohn- bzw. Arbeitskosten innerhalb der Orgelbauwerkstatt. Für Arbeiten im Außendienst müssen darüber hinaus entsprechende Reisekosten (Spesen, Kilometergeld, Übernachtungskosten) berücksichtigt werden. Bei Montagetätigkeit im Ausland fallen meist zusätzlich noch Kosten für Dienstreise-bescheinigungen, Flüge, notwendige Impfungen, Visa usw. an.

Orgelbauwerkstätten übernehmen für ihre Mitarbeiter und für ihre Kunden eine große Verantwortung. Bei den im Orgelbau üblichen sehr langen „Nutzungszeiten“ der Instrumente geht es um einen gewissenhaften Umgang mit Spendengeldern, mit öffentlichen Mitteln und Zuschüssen sowie um sichere Arbeitsplätze in einer beruflichen Nische. Neben allen künstlerischen Intentionen müssen auch Orgelbauwerkstätten letztendlich kaufmännisch agieren und Gewinne erzielen, um Rücklagen zu bilden und die Betriebe auf die Zukunft ausrichten zu können.

Um die Leistungsfähigkeit und Qualität der Orgelbauwerkstätten zu erhalten und kontinuierlich zu steigern, sind Investitionen in die Ausbildung und ständige Weiterbildung der Mitarbeiter, in die Erneuerung der Maschinenparks und in Forschung und Entwicklung unverzichtbar.

Bei den betrieblichen Gemeinkosten fallen, neben den üblichen Positionen wie Unternehmerlohn, Fahrzeug- und Maschinenkosten, Gebäude- und Nebenkosten, Versicherungen, Steuern, etc., im Orgelbau vor allem folgende Faktoren stark ins Gewicht:

  • Ausbildung im Handwerk:
    Die Aus- und Fortbildung findet im dualen System statt (Werkstatt und Fachschule für Musikinstrumentenbau in Ludwigsburg). Die Kosten für die Ausfälle durch die Schulzeiten (fast ein Jahr während der ganzen Ausbildung) tragen die Werkstätten.
  • Einarbeitungs- und Fortbildungszeiten:
    Eine Fachkraft muss mehrere der vielen Teilbereiche des Orgelbaus abdecken, wofür individuelle Einarbeitungszeiten im jeweiligen Betrieb benötigt werden, um routiniert arbeiten zu können. Ungewöhnlich hoch ist auch der Aufwand für inner- und überbetriebliche Fortbildungen.
  • Angebotserstellung:
    Die für die Auftraggeber i. d. R. kostenfreien individuellen Angebote nehmen viel Arbeitszeit in Anspruch, dazu kommen teils hohe Reiseaufwendungen. Oft liegen deshalb die Angebotskosten für Orgelneubau, Reorganisation oder aufwendige Restaurierungen – u. U. im Ausland – im fünfstelligen Bereich.
  • Maschinenpark:
    Die Werkstätten müssen einen großen, hochwertigen Maschinenpark, verbunden mit hohen Pflege- und Instandhaltungskosten, vorhalten. Darüber hinaus fallen Lizenzgebühren für Software in Konstruktion und Buchhaltung an. Bedingt durch die individuelle Einzelfertigung, die Komplexität des Instruments sowie den Einsatz an immer neuen Orten und in unterschiedlichen Ländern, können sich diese hohen Kosten nicht z. B. durch hohe Maschinenlaufzeiten wie in der Industrie amortisieren.
  • Hochwertiges Material:
    Schließlich wird für Pfeifenorgeln hochwertigstes Material verwendet. Hinzuzurechnen sind somit die Kosten für sehr lange abgelagerte Hölzer, Orgelmetalle (Zinn, Blei, Kupfer, Zink usw.), Instrumentenbau-Leder und Spezialteile, die in der Summe zwischen 20 und 30 % des Angebotspreises betragen können.

Um langfristig höchste Qualität sichern zu können, müssen Orgelbauwerkstätten selbst fundiert ausbilden und / oder optimal ausgebildete und erfahrene Fachkräfte akquirieren. Diese müssen dann kontinuierlich weitergebildet und – nicht zuletzt auch finanziell – motiviert werden. An Orgelbauer werden extreme Anforderungen gestellt, auch wegen langer Abwesenheiten von zu Hause. Fairer Lohn und Ausbildungsvergütung ist eine Grundvoraussetzung, um auch für die Zukunft die besten Fachkräfte für unser spannendes Aufgabenfeld zu gewinnen.

Deutschland ist seit Jahrhunderten ein Kernland des internationalen Orgelbaus. Wir alle arbeiten daran, dass dies so bleibt.